Niederdorla liegt an der Eger

Pfingsten in der Vogtei:

„Wie anders sieht es da in dem Dorfe aus! Der blaue Frühjahrshimmel hat die Bewohner auf die Straße gelockt, und läßt sie sich singend und lärmend ergehen, gleich als wenn der heitere Himmel, die reinere Luft, das zu neuem Leben hervorsprießende Grün des Waldes und der Flur auch in ihnen neues fröhliches Leben erzeugt hätte. Alles, was eine Kehle hat, jubelt und lacht, Freude malt sich auf jedem Gesicht. Unter das Schreien und Rufen mischt sich Pferdegetrampel und gelles Pfeifen. Plötzlich ist alles ruhig, nur eine Pfeifstimme ist hörbar und im Nu ist wieder ein Gelächter und Geschrei. Was gibt es denn? fragen wir erstaunt.“

So schreibt 1857 der Autor der Zeitschrift Die Gartenlaube über Pfingsten in der Vogtei. Wir wissen, was kommt: Der Schössmeier. Im Jahr 2021 kommt der Schössmeier nicht. Bobby und Andrea kommen.


Zum Ständchen am Sonntag, dem 23. Mai, hatten Bobby und Co ein besonderes großes Co, ein GroCo sozusagen. Ingo S. aus H. und Holger K. aus N. unterstützten Jörg "Bobby" Wendemuth und seine Frau Andrea. Zwei Haushalte und ein Genesender spielten zu Pfingsten Angermusik zwischen Haupt- und Rumpfstraße. Das passt.
Zum Ständchen am Sonntag, dem 23. Mai, hatten Bobby und Co ein besonderes großes Co, ein GroCo sozusagen. Ingo S. aus H. und Holger K. aus N. unterstützten Jörg "Bobby" Wendemuth und seine Frau Andrea. Zwei Haushalte und ein Genesener spielten zu Pfingsten Angermusik zwischen Haupt- und Rumpfstraße. Das passt.
Holger begrüßte den Autor dieses Textes als Nachbarn, obwohl der Autor 2004 aus Niederdorla wegzog, der Arbeit hinterher. Der Autor war gerührt von Holgers Gruß und nun wird dieser Text besonders heimatlich. Aber auch ohne Napper Holgers Bemerkung war's dem Autor sehr heimatlich zumute und allen anderen auch:

"Es ist wie Pfingsten auf dem Anger", sagten viele und alle dachten es: Blasmusik, Bier, frisches Grün und Gespräche. „Die Gedanken sind frei, wer will sie verbieten?“

Der Pfingstmontag ist DER Tag in Niederdorla. Und nach der Pandemie wird er es wieder sein: DER TAG in Niederdorla. Von Ewigkeit zu Ewigkeit. A… A, A, aber nun weiter im Text:

Tiefes, tiefes Heimatgefühl lag in der Luft. Und die Sonne schien: Angerwetter.

Gastmusiker Ingo S. aus H. verkündete es als Ansage: "Ich wollte es Bobby nicht glauben, was hier los ist in Niederdorla." Und es war einiges los: Die Anzahl der Menschen jeden Alters hätte Glück auf den Anger gebracht für die Kinderrechnung und für die jungen Frauen und Burschen der Rechnungsgesellschaft. So viele Menschen waren es. Natürlich fesselte Respekt vor der Pandemie die Euphorie. Aber Heimat bleibt Heimat auch in der großen Einschränkung.

Die Titelliste des Ständchens zeigt, Niederdorla liegt an der Eger, einem Fluss, der Sachsen und Böhmen verbindet, ein Grenzfluss zwischen Deutschland und Tschechien. Im Wasser der Eger wogt deutsche Geschichte. Stichwort Sudetenland. Der „König der volkstümlichen Musik“ Ernst Mosch war Sudetendeutscher. Das erklärt viel und zieht ins Thema Heimat.

Niederdorla liegt also an der Eger, eher auf böhmischer Seite als auf der sächsischen.

Bobby und die GroCo spielten, und: Auf der Vogelwiese standen rauschende Birken und am See zelteten die Kinder von der Eger und sangen ein Lied auf die Heimat, träumten dabei den böhmischen Traum, trieben es hinter der Garage vom DRK womöglich nackt im böhmischen Wind, schenkten sich als Dank Gablonzer Perlen und nur wenn der Wein blüht hielten sie dem Land Tirol die Treue. Wie´s so war und is´ und sein wird Pfingsten auf´m Anger. Prost... in Gedanken und im Gedenken an Pfingsten auf unserem schönen Dorfmittelpunkt unter der Maie und auf dem Pfarrhof, wo´s Gelage is´.

Gablonzer Perlen! Die kleine Stadt im Sudetenland ist stolz auf ihre großartigen Perlen aus Kristall und böhmischem Glas. "Wenn vom Kristall Splitter übrig blieben, machten die Perlen daraus", erklärte eine Sudetendeutsche, die dem Autor am nächsten steht. Heimat ist oft wie die Eger, die fließt zwischen zwei Ländern. Sudetendeutsche flohen nicht, sie wurden ein Jahr nach dem Krieg vertrieben aus ihrer Heimat.

Übrigens ließen sich im Landkreis Gotha nach dem Zweiten Weltkrieg über 14.000 Sudetendeutsche nieder, besonders Glas- und Kristall-Schmuckmacher. Vor allem in Friedrichroda und Ohrdruf entstanden Werkstätten. Niederdorla liegt an der Eger, bitteschön.

Wegen des Schreibens über die Musik musste ich mich auseinandersetzen mit Ernst Mosch und erlebte Überraschungen: Ich hielt Ernst Mosch immer für so eine Art Franz Josef Strauß der volkstümlichen Musik. Ich irrte mich.

Der Sudetendeutsche Ernst Mosch setzte sich ein für eine gute Verbindung zwischen Bayern und Böhmen. Er förderte böhmische Komponisten, machte die international bekannt.

Und 1966 durfte Mosch mit den Original Egerländer Musikanten in der New Yorker Carnegie Hall auftreten, als erstes deutsches Orchester überhaupt seit die Hall 1891 eröffnet wurde. Und die Egerländer bekamen dort standing Ovationen, stehenden Applaus. Was kann man da schreiben? Wir stehen auch auf und klatschen mit.

Das alles gelang dem CSU-Polterer F. J. Strauß nicht. Um es auszugleichen: Seinem SPD-Gegner Herbert Wehner gelang das auch nicht.

Die Carnegie Hall is´wie Conny sein Leipzscher Gewandhaus nur in New York. Conny und sein Erzählen aus Leipzig is´ auch Heimat.

Von der Band Da Blechhaufen gab's Hinter der Garage. Eine schöne Musi. Wenden wir uns dem Text zu... und wenden uns wieder ab mit goethischem Grausen:

"Hinter der Garage dann, fängt sie mich zu küssen an.
Sie hat herrliche Gefühle, die ich nicht beschreiben kann.
Ist sie dämlich oder schlau, eines weiß ich ganz genau.
Stop - und hinter der Garage ist sie meine kleine süsse Frau,
Stop - und hinter der Garage ist sie meine kleine süsse Frau."


Na ja, der Geruch von Reifen-Gummi und Alt-Öl mag ja auf Pkw-Schrauber erotisch wirken... Und vielleicht der eine oder andere Blechhaufen... Vielleicht steht ja auch ein Porsche oder Protz-SUV in der Garage. Jöthes Jartenhaus isses nich', die Jarage von da Blechhaufen. Neej Du. Tut es nicht tun.

Dem Land Tirol die Treue ist ein Marsch des österreichischen Komponisten Florian Pedarnig. Im Text von Sepp Pedarnig heißt es:

"Ein Kranz von Bergen stolz und hoch erhoben,
Umringt die Heimat mein Tiroler Land."


Na ja, wir haben in Niederdorla den Windberg und den Kredithügel, wo per Honecker-Darlehen damals junge Familien DDR-Paläste bauten: Schlösser aus Hohlblocksteinen, ammerschem Sand und Portlandzement, wie es der NCC besang, der Niederdorlaer Carneval Club. Immerhin gekrönt ist der Kredithügel von den Mahllinden. Ja mit h. Das lange Ahh gönnen wir uns. Ham' mer als Vogteier verdient.

Aber heben wir doch den Blick nach Westen und da sehen wir unseren eigenen Kranz von Bergen: unseren Hainich. Fast von überall in Niederdorla sieht man ihn: Unseren Hainichwald.

Kein Alpen-Sepp könnte stolzer sein auf seine kahlen Steinhaufen. Bei uns stützen Rot- und Weißbuchen den Himmel und Eschen und Ahorn erreichen die Wolken. Nur überragt vom Stolz der Vogteier auf ihre Heimat. Die liegt vorm Hainichwald gen Osten. Wir haben auch unsere Lieder.

Und Standig Ovationen in der New Yorker Carnegie Hall? Bei Bobbys und Andreas Ständchen klatschen wir immer im Stehen. Geht nicht anders. Also bitte.

Und Danke für die Ständchen. Bleibt alle gesund.

Nachtrag:

Lieber Wilder Graben und Siebenmühlenbach, Niederdorla liegt natürlich an euch und am Vogteier Meer, bitte entschuldigt, aber weil´s so schön gepasst hat, am Sonntag, dem 23. Mai, von 18 Uhr bis 19 Uhr lag mein Heimatdorf an der Eger, dort wo sich die Eger in die Elbe ergießt. Und Niederdorla glitzert einfach wie die Schönste der Gablonzer Perlen, so wie Niederdorlas Frauen.