Vogteier Kirmes vor 165 Jahren

1875 stand in der Zeitschrift "Die Gartenlaube" ein großer Artikel über die Vogteier. Mit Bild. Der Autor ist nicht genannt.

Er schrieb in seinem Artikel über Geschichte und Bräuche der Vogteier. Dazu gehörte auch die Beschreibung der Feiertage in der Vogtei. Nach Ostern und Pfingsten schreibt der Autor nun über den Kirmes-Sonntag:


"Der dritte Tag ist der erste Kirchmeßsonntag. Ein noch regeres Leben zeigt sich da in den Dörfern, der Hauptfreudentag seiner Bewohner ist ja da; die reiche Ernte ist glücklich in den Scheuern geborgen; die Arbeit für das Leben im Freien läßt nach und räumt den häuslichen Verrichtungen den Platz ein. Noch wölbt sich der blaue Himmel über die Erde, noch erfüllt warme Luft die Atmosphäre, die Bäume aber entfärben sich, dem freudigen Grün folgt das leuchtende Roth und Gelb, und jeder Windzug läßt das Laub vor dem nahen Untergang erzittern. Noch einmal unter solchen Umständen fröhlich zu sein, und die Herrlichkeiten der Natur mit vollen Athemzügen zu genießen, wer wird das für unnütz halten? Zahlreiche Städter und Städterinnen wandern den Orten zu, den hat die Milchfrau gebeten, diesen die Butterfrau, jenen der Hoflieferant und jenen die Freundscht (Freundschaft). Küche, Boden und Keller haben ihre Schätze öffnen müssen; Kuchen sind aufgespeichert und Fleisch von selbstgeschlachteten Thieren oder auch gekauft, wartet nur mit den nöthigen Salaten u. s. w. auf die Stunde der Vergeistigung.

Ebenso wie hier ein ewiger Kreislauf, so ist auch ein Drehen, Laufen, Schreien und Singen, ewiges Wechseln von Gruppen als Kreislauf der Kirchmeß zu bemerken. Essen und Trinken erhält den Leib, sich einmal aber in der Lieblingsspeise dick und satt essen zu können, ist sicher der höchste Genuß für den sinnlichen Menschen, und schon der Gedanke daran vermag die Brust zu schwellen und Freude, Wonne, Seligkeit über das Gesicht und die Bewegung eines solchen auszugießen. Wie schaukelt so süß lächelnd jener, noch das Gesangbuch unter dem Arme, die aus dem Backs (Backhaus) geholte Pfanne-Tiegel mit Kartoffeln, Kümmel und Hammelfleisch, wie umnebelt jenem das ihr entsteigende duftige Aroma; mit welchen Schritten eilt dieser wieder seinem Gehöfte zu, und endlich welche Begierde spricht sich bei diesem aus, indem er die Thür seines Gehöftes überschreitet! Nur wenige Minuten und der süßeste Wunsch, die heißeste Sehnsucht ist gestillt, das Warten hat sich reichlich belohnt, und bedächtig hält er Nachkost mit Ablecken der Lippen."